An manchen Tagen ducke ich mich weg. Dann möchte ich nichts von den Nachrichten wissen. Nichts lesen, hören oder sehen. Über Krieg, Krise und Katastrophe. Mit diesem Gefühl bin ich offenbar nicht allein. Inzwischen meidet jede:r Zehnte bewusst die Nachrichten. Diagnose: News Blues.
Bist du auch so müde? Ich bin müde. Nachrichtenmüde. Und das, obwohl ich Journalistin bin. Die Flut an Nachrichten macht mich fertig. Besonders die schlechten Nachrichten. Und mal ganz ehrlich: so viel Scheiße kann ein Mensch ja auch einfach nicht ertragen!
Jahrelang Pandemie. Dann der Krieg in der Ukraine. Jetzt auch noch in Nahost. Es hört nicht auf und die Sorgen und Probleme vor der eigenen Haustür kommen ja auch noch dazu. Vielleicht gar nicht so überraschend, dass ich den News Blues habe.
No-Go Ukraine und Corona
Für den Reuters Institute Digital News Report des vergangenen Jahres haben Wissenschaftler:innen mit 93.895 Menschen aus 46 Ländern auf sechs verschiedenen Kontinenten über deren Nachrichtenkonsum gesprochen. In Deutschland hat das Hamburger Leibniz-Institut für Medienforschung genauer hingeschaut und herausgefunden: 29% der rund 2.000 Befragten meiden gelegentlich die Nachrichten.
Dieser Wert hat seit 2017 in allen Altersgruppen zugenommen. Während die Über-55-Jährigen eher bestimmten Themen aus dem Weg gehen – wie beispielsweise dem Ukraine-Krieg oder Corona – dreht das jüngere Publikum (18 bis 24 Jahre) den Kanal einfach komplett ab.
Angst, Stress und Erschöpfung
Die Studienergebnisse sind im Januar und Februar 2022 erhoben worden. Und da hat der Krieg in der Ukraine gerade erst angefangen. Die Pandemie sind wir inzwischen zwar los, den Krieg aber nicht – ganz im Gegenteil.
Die Masse an schlechten Nachrichten löst in uns Angst, Erschöpfung, Gereiztheit und Stress aus. Und wer tut sich das schon freiwillig an? Wir dürfen uns also nicht wundern, wenn bei der nächsten Befragungsrunde noch mehr Menschen sagen: wir haben keine Lust mehr auf Nachrichten!
Was wir tun können
Für uns Journalist:innen ist das eine Patt-Situation. Berichterstattung lebt von den Nachrichten und Negativ-Schlagzeilen bringen schließlich auch Klicks. Gleichzeitig sagt über die Hälfte der Befragten (58%) in Deutschland, sie würden sich vor allem für positive Nachrichten interessieren.
Nun ja, wir können die Nachrichten nicht ändern. Oder doch? Ich schlage vor, sie verdaulicher zu gestalten und trotzdem bei der Wahrheit zu bleiben:
Nachrichten nicht noch negativer darstellen als sie ohnehin schon sind. Stattdessen neutraler formulieren.
Nachrichten mit Lösungsvorschlägen untermauern. Stichwort "konstruktiver Journalismus".
Nachrichten verständlich aufbereiten. Komplexe Sachverhalte einfach erklären.
Negative Nachrichten nicht in Masse aneinanderreihen. Lieber verdaulich, in Dosen.
Wir können den Krieg in der Ukraine so nicht beenden. Und den zwischen Israel und Palästina auch nicht. Aber wir können auf diesem Weg versuchen, den News Blues unseres Publikums (und das schließt mich selbst mit ein) aktiv zu bekämpfen.
Und jetzt die gute Nachricht
89% der erwachsenen Internetnutzer:innen in Deutschland konsumieren trotzdem noch mehr als einmal pro Woche Nachrichten. Und mehr als die Hälfte (52%) interessiert sich auch ernsthaft dafür. Ich bin also sicher, wir haben eine Chance.